André Hardt

Eigentlich bin ich ein notorischer Morgenmuffel. Das ich trotzdem seit mehr als 15 Jahren die Morgensendung moderiere, grenzt also an ein Wunder. Ich führe gewissermaßen ein Leben gegen meine Natur, gegen mein Erbgut, das mich genetisch dazu bestimmt hat, ein Langschläfer zu sein.

Die Erklärung für diesen Widerspruch ist relativ einfach: Wenn ich morgens um vier ins Badezimmer komme und gezwungen bin, in den Spiegel zu schauen, wird mir sofort die grauenhafte Realität vor die müden Augen geführt, dass ich nämlich beim Radio, wo mich kaum jemand zu Gesicht bekommt, genau richtig bin.

Das kleine, aber mega großartige Team, mit dem ich seit 15 Jahren zusammenarbeiten darf, hat sich längst an diesen traurigen Anblick gewöhnt.

Während der ersten Schritte in den Tag sind die Kollegen dann extrem einfühlsam und rücksichtsvoll zu mir. Sie behandeln mich wie einen langjährigen Pflegepatienten, der morgens erstmal seine Medizin braucht: Ein paar Liter Kaffee und eine Tafel Schokolade - schon sieht die Welt gar nicht mehr so schlecht aus.

Das rote Lämpchen geht an, wir sind auf Sendung und mir wird schlagartig klar, dass ich trotz meines zerknitterten Morgenmuffelgesichts, den schönsten Job der Welt habe.

Der Weg dorthin war alles andere als geradlinig. Radioleute, Politiker und Pfarrer sollten erstmal ein bisschen am richtigen Leben geschnuppert haben, bevor sie zu ihrem Beruf kommen. Bei mir fing es damit an, dass ich nach dem Abitur zunächst einen richtigen Beruf gelernt habe: Montageschlosser. Schon wieder eines dieser Wunder, denn wenn es jemanden gibt, der zwei linke Hände hat, dann bin ich das.

Nachdem der Schaufelradbagger, den ich geholfen hatte zu montieren, im Lausitzer Braunkohlerevier fast wieder auseinandergefallen wäre, habe ich es lieber mit einem Studium versucht: Literatur. Das wurde mir irgendwann zu langweilig.

Über die Stationen Krankenpfleger, Kulissenschieber am Theater, Buchverkäufer und Kurierfahrer kam ich dann endlich zum Radio. Zufällig und unbestimmt hatte ich meine Bestimmung gefunden. Was mich bis heute antreibt ist meine Neugier. Die Neugier auf jeden neuen Tag. Es passiert soviel. Das einzige, was nicht passiert ist, dass nichts passiert.

Und es ist ein wundervolles Privileg, morgens beim Radiohörer mit am Frühstückstisch zu sitzen, im Auto oder unter der Dusche - wir dürfen die Ersten sein, die ihm die Neuigkeiten des neuen Tages überbringen. Das ist toll, das ist die Leidenschaft, die mich antreibt, stärker als mein Morgenmuffel-Gen.

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